Zeitzeuge zu Gast am Johannes-Kepler-Gymnasium

DDR als Unrechtsstaat erfahrbar gemacht

Hatten Sie Angst vor der Stasi? Wie sah der Alltag im Gefängnis aus?  Was waren die größten Herausforderungen während der Haftzeit?

Diese und viele weitere Fragen konnten die Schülerinnen und Schüler des Differenzierungskurses Geschichte/Sozialwissenschaften der Klasse 9 vom Johannes-Kepler-Gymnasium dem Zeitzeugen Alexander Richter-Kariger stellen.

Finanziert durch die Bundesstiftung Aufarbeitung der SED Diktatur in Berlin und begleitet von Dr. Frank Hoffmann von der Universität Bochum konnten die Neuntklässler im Rahmen einer Unterrichtsreihe zur DDR Geschichte die persönlichen Erlebnisse in einem Zeitzeugengespräch erfahren. 

Zu Beginn berichtete Herr Richter-Kariger, der seit vielen Jahren mit seiner Familie in Emsdetten lebt, von den Umständen seiner Verhaftung. Nach dem Besuch der Oberschule und seinem Grundwehrdienst war er in der Finanzwirtschaft tätig. Seine eigentliche Leidenschaft war allerdings die Schriftstellerei, die ihm zum Verhängnis wurde und sein Leben radikal veränderte.

In der DDR lernte Herr Richter-Kariger seine spätere Ehefrau, die im Westen wohnte, kennen. Während der Fernbeziehung hielten die beiden engen Briefkontakt. In diesen Briefen schickte Richter-Kariger seiner Freundin die Manuskriptseiten eines Romans, in dem er sich staatskritisch äußerte. Nach vielen Jahren der Beobachtung durch die Stasi wurde er 1982 verhaftet und nach elfmonatiger Untersuchungshaft zu 6 Jahren Haft wegen staatsfeindlicher Hetze (§ 106) verurteilt. Nach zweieinhalb Jahren wurde er als politischer Häftling von der BRD freigekauft. 
 
Eindrucksvoll schilderte der Zeitzeuge seine Zeit in der Untersuchungshaft, die von Isolation, Langeweile, Angst und Zurückgezogenheit geprägt war. Lediglich die kurze Zeit an der frischen Luft in der „Freistunde“ und das Schachspielen mit seinem Zellengenossen ließ ihn die lange Zeit überstehen. Immer wieder musste er zur Vernehmung. Endlose Verhöre, lange Wartezeiten und ständige Wiederholungen der Fragen sollten ihn zermürben und geständig machen.

Mit viel Interesse folgten die Schülerinnen und Schüler den Lebenserfahrungen von Herrn Richter-Kariger, der viele Fragen offen beantworte. Auf die Frage nach seinem Verhältnis zu seinen Zellengenossen im Gefängnis antwortete er sichtlich bewegt, dass er in einer Zelle mit 12 bis 18 Zellengenossen, unter denen sich auch gewaltbereite Schwerverbrecher befanden, seine Angst verdrängen musste, um den Alltag zu überstehen.

Immer wieder wurde den Schülerinnen und Schülern vor Augen geführt, dass die DDR kein Rechtstaat, sondern eine Diktatur war. Äußerungen gegen den Staat führten zu Überwachung, Bespitzelung und Verhaftung. Auf die Frage einer Schülerin nach seiner Motivation, als Zeitzeuge in Schulklassen von seinem Schicksal zu berichten, antwortete Herr Richter-Kariger: „Es ist wichtig, sich für die Demokratie einzusetzen und die Erinnerung an die Zeit der Diktatur der DDR zu bewahren“. Eine Aussage zum Ende dieses Vormittages, die den Schülerinnen und Schülern einiges zum Nachdenken mit auf den Weg gegeben hat. 
 
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