Beer: „Es gilt: Nie wieder ist jetzt“
Gedenken an Reichspogromnacht 1938
Zu einem Themenabend mit dem Titel „Im Abseits – der Wahrnehmung!? Jüdisches Leben in Deutschland am Beispiel Fußball“ wurde anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 9. November 1938, ins Ibbenbürener Kepler-Gymnasium eingeladen.
Von Erhard Kurlemann
Ibbenbüren · Freitag, 10.11.2023
Von Erhard Kurlemann
Ibbenbüren · Freitag, 10.11.2023
„Erinnern ist wichtig, aber das ist kein Ersatz für Solidarität“ – mit diesem Statement hat Florian Beer beim Themenabend im Kepler-Gymnasium die rund 75 Teilnehmenden aufgefordert, aktiv gegen den Antisemitismus in der Gesellschaft vorzugehen. Beer, pädagogischer Mitarbeiter der Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit Beratung bei Rassismus und Antisemitismus (SABRA) in Düsseldorf, berichtete über aktuelle Erfahrungen junger jüdischer Vereinsfußballer. „Antisemitismus gibt es in allen Teilen der Gesellschaft – wer das nicht anerkennt, hat schon ein Problem“.
Es sei „eine Herausforderung für eine demokratische Gesellschaft“, Zeichen gegen den Antisemitismus zu setzen, hatte Ralf Hankwitz als Vertreter der Schulleitung in der Begrüßung hervorgehoben. Mit „Im Abseits – der Wahrnehmung!? Jüdisches Leben in Deutschland am Beispiel Fußball“ war der Themenabend anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 überschrieben. „Wenn wir uns an den Tag erinnern, müssen wir feststellen, dass es aktuell viel sichtbare Judenfeindlichkeit in der Gesellschaft gibt“, betonte Hankwitz. Und es stimme „sehr nachdenklich, dass jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger heute wieder in Angst leben müssen“.
Für den Lenkungskreis Stolpersteine aus dem Stadtmuseum sagte Gernold Mudrack, in der Stadt gebe es Mehr als 50 Stolpersteine. Jeder einzelne sei ein „Zeichen der Vertreibung“. Einer der Stolpersteine erinnert an den Fußballer Walter „Kiki“ Goldschmidt, ergänzte Richard Frank. Der kleine und wendige Fußballer spielte für die ISV in der gleichen Mannschaft wie Hermann Gösmann, der später von 1962 bis 1975 Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB) war.
Es sei „eine Herausforderung für eine demokratische Gesellschaft“, Zeichen gegen den Antisemitismus zu setzen, hatte Ralf Hankwitz als Vertreter der Schulleitung in der Begrüßung hervorgehoben. Mit „Im Abseits – der Wahrnehmung!? Jüdisches Leben in Deutschland am Beispiel Fußball“ war der Themenabend anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 überschrieben. „Wenn wir uns an den Tag erinnern, müssen wir feststellen, dass es aktuell viel sichtbare Judenfeindlichkeit in der Gesellschaft gibt“, betonte Hankwitz. Und es stimme „sehr nachdenklich, dass jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger heute wieder in Angst leben müssen“.
Für den Lenkungskreis Stolpersteine aus dem Stadtmuseum sagte Gernold Mudrack, in der Stadt gebe es Mehr als 50 Stolpersteine. Jeder einzelne sei ein „Zeichen der Vertreibung“. Einer der Stolpersteine erinnert an den Fußballer Walter „Kiki“ Goldschmidt, ergänzte Richard Frank. Der kleine und wendige Fußballer spielte für die ISV in der gleichen Mannschaft wie Hermann Gösmann, der später von 1962 bis 1975 Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB) war.
Die Ausstellung über die Schicksale jüdischer Fußballer und Funktionäre ist noch bis Donnerstag jeweils an den Schultagen von 8 bis 14 Uhr im Kepler-Gymnasium zu sehen | Foto: Erhard Kurlemann
Goldschmidt - die Metzgerei Goldschmidt befand sich am Unteren Markt, später Sandmann, heute Sanitätshaus Menssen - gelang 1936 die Flucht nach Südafrika. 1976 kehrte er auf Einladung ehemaliger Mitspieler für gut vier Wochen in seine alte Heimat zurück, 1981 ein zweites Mal. „,Er hat bei diesen Besuchen die Lebensumstände zu Zeiten der Nazis in Schulen und im Verein eindrucksvoll beschrieben, etwa dass Kunden der Metzgerei fotografiert und später öffentlich gebrandmarkt wurden, weil sie „bei Juden eingekauft“ hätten, erläuterte Frank.
Publizist und Autor Heiko Schulze aus Osnabrück stellte seine Recherchen zum Thema „lila weiß – braun“ am Beispiel des VfL Osnabrück vor. Er erinnerte zunächst daran, dass der Sport erst ab etwa 1906 in einer größeren Öffentlichkeit anerkannt worden sei, weil das Kaiserhaus ihn für gut befunden habe. Zuvor seien Sporttreibende als „Fußlümmel“ oder „von der englischen Krankheit Befallene“ verspottet worden. In der Entwicklung seien dann viele militärische Begriffe in den Fußball eingeführt worden, auch, um ihn von dem englischen Original abzugrenzen. „Der gute Deutsche turnt“ , um für den Militärdienst fit zu sein (oder zu bleiben), war die Intention des neuen Sports dem Zeitgeist angepasst.
Schulze informierte darüber, dass in verschiedenen Vereinen in Osnabrück „Judenhasser“ früh in wichtigen Funktionen waren. Gegenspieler dieser war Ernst Sievers, erster Vorsitzender des neuen VfL Osnabrück. Der war Schwimmer, Leichtathlet, Turner und Fußballer beim FC Teutonia Osnabrück. Zudem habe er sich als Übungsleiter für neue jüdische Vereine zur Verfügung gestellt. „Der Fußball entwickelte sich zum Arbeitersport. Die Nazis verhängten am 20. April 1933 Betätigungsverbote, in der Folge lösten sich viele Vereine auf.“ Vereinsführer des VfL wurde Hermann Gösmann aus Ibbenbüren, der seit 1931 in Osnabrück lebte. Er führte den Verein stillschweigend nach „Nazi-Regeln“ und wurde später als unbelastet eingestuft.
Florian Beer zählte in seinem Statement viele Ereignisse auf, die aktuell Antisemitismus zeigen – etwa: Fußballspiele jüdischer Vereine werden abgesagt oder finden ohne Zuschauer statt, Juden verstecken ihre eigene Identität aus Angst – Antisemitismus ist alltagsbegleitend - eine bittere Erkenntnis – im doppelten Sinne.
Er hob hervor, dass es inzwischen auf vielen und „hoffentlich bald auf allen“ Vereinsseiten Buttons gebe, über den antisemitische Vorfälle gemeldet werden können. „Das Problembewusstsein ist ganz wichtig.“ Es gilt „Nie wieder ist jetzt“, beendete Beer unter dem Beifall des Publikums sein Statement.
Im Anschluss war Gelegenheit, die in Zusammenarbeit mit dem Fußballmuseum in Dortmund entliehene Ausstellung über die Schicksale jüdischer Fußballer und Funktionäre zu besichtigen. Diese ist noch bis Donnerstag jeweils an den Schultagen von 8 bis 14 Uhr im Kepler zu sehen.
Publizist und Autor Heiko Schulze aus Osnabrück stellte seine Recherchen zum Thema „lila weiß – braun“ am Beispiel des VfL Osnabrück vor. Er erinnerte zunächst daran, dass der Sport erst ab etwa 1906 in einer größeren Öffentlichkeit anerkannt worden sei, weil das Kaiserhaus ihn für gut befunden habe. Zuvor seien Sporttreibende als „Fußlümmel“ oder „von der englischen Krankheit Befallene“ verspottet worden. In der Entwicklung seien dann viele militärische Begriffe in den Fußball eingeführt worden, auch, um ihn von dem englischen Original abzugrenzen. „Der gute Deutsche turnt“ , um für den Militärdienst fit zu sein (oder zu bleiben), war die Intention des neuen Sports dem Zeitgeist angepasst.
Schulze informierte darüber, dass in verschiedenen Vereinen in Osnabrück „Judenhasser“ früh in wichtigen Funktionen waren. Gegenspieler dieser war Ernst Sievers, erster Vorsitzender des neuen VfL Osnabrück. Der war Schwimmer, Leichtathlet, Turner und Fußballer beim FC Teutonia Osnabrück. Zudem habe er sich als Übungsleiter für neue jüdische Vereine zur Verfügung gestellt. „Der Fußball entwickelte sich zum Arbeitersport. Die Nazis verhängten am 20. April 1933 Betätigungsverbote, in der Folge lösten sich viele Vereine auf.“ Vereinsführer des VfL wurde Hermann Gösmann aus Ibbenbüren, der seit 1931 in Osnabrück lebte. Er führte den Verein stillschweigend nach „Nazi-Regeln“ und wurde später als unbelastet eingestuft.
Florian Beer zählte in seinem Statement viele Ereignisse auf, die aktuell Antisemitismus zeigen – etwa: Fußballspiele jüdischer Vereine werden abgesagt oder finden ohne Zuschauer statt, Juden verstecken ihre eigene Identität aus Angst – Antisemitismus ist alltagsbegleitend - eine bittere Erkenntnis – im doppelten Sinne.
Er hob hervor, dass es inzwischen auf vielen und „hoffentlich bald auf allen“ Vereinsseiten Buttons gebe, über den antisemitische Vorfälle gemeldet werden können. „Das Problembewusstsein ist ganz wichtig.“ Es gilt „Nie wieder ist jetzt“, beendete Beer unter dem Beifall des Publikums sein Statement.
Im Anschluss war Gelegenheit, die in Zusammenarbeit mit dem Fußballmuseum in Dortmund entliehene Ausstellung über die Schicksale jüdischer Fußballer und Funktionäre zu besichtigen. Diese ist noch bis Donnerstag jeweils an den Schultagen von 8 bis 14 Uhr im Kepler zu sehen.
75 Teilnehmer folgten dem Themenabend „Im Abseits – der Wahrnehmung!? Jüdischen Leben in Deutschland am Beispiel Fußball“, zu dem anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 am Kepler-Gymnasium eingeladen wurde. | Foto: Erhard Kurlemann
Heiko Schulz | Foto: Erhard Kurlemann
Florian Beer | Foto: Erhard Kurlemann